16. Oktober 2008, mit Inge Döllel
Die im Juni ausgefallene Fahrt, wegen Erkrankung der Gruppenleiterin (Fahrradsturz mit Folgen), wurde nachgeholt. Abfahrt mit Linner-Bus um 08:30 Uhr. Das Wetter zeigte sich leider nicht von der freundlichsten Seite, aber das war an diesem Tag nicht so wichtig.
Amerang, im Chiemgauer Alpenvorland gelegen, wird um das Jahr 788 erstmals urkundlich erwähnt und ist seit dem Mittelalter eng mit den Eigentümer von Schloss Amerang verbunden. Seinen Namen verdankt Amerang dem Emmer, einer Weizenart unserer Vorfahren; sie wird noch heute im Bauernhausmuseum angebaut.
Genau in der Mitte der Luftlinie München und Salzburg liegt Schloss Amerang, 1072 erstmals urkundlich erwähnt. Diese fast kreisrunde Anlage, umgeben von drei tiefen, natürlichen Gräben, wurde auf einer eiszeitlichen Hügelkuppe erbaut. Die gotische Burg wurde 1560 zum Renaissanse-Schloss umgebaut. Es residierten hier die Edelfreien von Amerang, die Laiminger Turniervögte eines der bedeutendsten Geschlechter Bayerns, gefolgt von den Herren von Verona, den Scaligern, die sich auch die Herren von der Leiter nannten, die Grafen Lamberg und ab 1821 die Freiherren von Crailsheim und ist seit 23 Generationen Familienwohnsitz.
Anfang der 1990er Jahre war die Statik so stark gefährdet, dass man das Schloss sperren musste. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützte darauf hin die Sanierung. Auch der Förderverein Schloss Amerang mit seinen ca. 1400 Mitgliedern war massgeblich beteiligt. Wenn Frhr. von Crailsheim sen. von den Mäusefamilien erzählte, die durch hunderte von Rissen und Ritzen im Mauerwerk in die Wohnräume spazierten, Gelbhalsmäuse von rattenartiger Grösse mit aussergewöhnlich schönen Augen und Ohren, wie er fröhlich charakterisierte, dann klang dies wie eine vergnügliche Illustration zum Thema Verfall eines Schlosses.
Wir waren um 10:00 Uhr zur Schlossführung angemeldet. Frau Obermeier, eine äusserst versierte, sympathische Frau nahm uns in Empfang. Nach Eintritt in den Schloss-Innenhof mit seinen dreistöckigen Renaisance-Arkaden, der grösste unregelmässige nördlich der Alpen mit unvergleichlicher Akustik – alljährlich werden hier Sommerkonzerte abgehalten – umgab uns sogleich südländisches Flair. Veronesische Wappen, schmale toskanische Säulen, gedrungene Arkaden, da bedarf es kaum noch der Serenaden, der Nachtwärme und Kerzenlichter, um an Italien zu denken. Frau Obermeier führte uns durch die verschiedenen Epochen dieser Zeitgeschichte. Die Palette reicht von der ursprünglich romanischen, später gotisch erweiterten Schlosskapelle bis hin zu den verschiedensten Adelsgemächern im Barock-, Rokoko- und Gründerjahrestil, dem Rittersaal mit den geheimnisvollen Fresken aus dem 16. Jhdt., zum Arbeitszimmer des Senior-Schlossherren aus den 50er Jahren, mit einem riesigen Sammelsurium von Mitbringseln seiner zahlreichen Auslandsreisen. Im Schlosshof wieder angekommen, wurde uns ein leichtes Gruseln beim Anblick des Burgverlieses nicht erspart. Bis in die Mitte des 19. Jhds verfügten die Schlossherren über die Niedere Gerichtsbarkeit und die Übeltäter kamen in das fensterlose Verlies, um ihre Strafe im Dunkeln abzusitzen. Einer liegt immer noch da unten und dämmert seinem Sankt-Nimmerleinstag entgegen.
Bevor wir uns von diesem Kleinod im Chiemgauer-Land trennten noch ein paar Gruppenfotos.
Nun brachte uns der Bus zum Wirth von Amerang, einer rustikalen, empfehlenswerten Wirtschaft, wo wir bereits ca. 12:00 Uhr erwartet wurden. Gegen 13:30 Uhr waren wir im Bauernhausmuseum angemeldet. Hier wurden wir schon von einer freundlichen, sympathischen Dame erwartet, die uns liebevoll die einzelnen Details der Bauernhöfe erklärte. Der 1567 erbaute Holzmann-Hof mit flachem Legschindeldach gab uns Einblick in einfachstes bäuerliches Leben, für uns komfortverwöhnte Menschen unvorstellbar. Die kleinen Fenster waren ursprünglich mit Schweinsblasen bespannt, denn Fensterglas war damals ein Luxus. Der Rauch des offenen Herdfeuers im Flur zog nicht durch einen Kamin ab, er wurde unter den Dachstuhl abgeleitet, wo er durch die Ritzen der Schindel entwich.
Die vergitterte Hennensteige stand in der guten Stube, wo Mensch und Tier sich in trauter Gemeinsamkeit wärmten und wurden nebenbei gebeizt wie der Schinken, der in der Holzwippe im Rauch hing. In der Seiler-Werkstatt wurde uns das Entstehen eines Seiles demonstriert. Wir besichtigten den stattlichen Bernöder Vierseithof, das Brechlbad, einst diente es in aller Unschuld als Schwitzbad. Im späten 18. Jhdt. besann man sich in irgendeiner Amtsstube auf die guten Sitten und verbot die Badestuben. Flugs verwandelten die Bauern die Anlagen zum Dörren und Brechen des Flachses. Einige unter uns erinnerten sich an ihr eigenes Erleben auf einem Bauernhof, so wurden viele Erinnerungen wachgerufen.
Ca. 15:00 Uhr marschierten wir wieder zu unserem Bus zurück. Leider regnete es, so musste der wie bereits im Juni geplante Sektumtrunk im Bus stattfinden. Warm im Trockenen liessen wir das hupfende Wasser durch unsere Kehlen rinnen. Prost! und
Start frei zur Heimfahrt.
Teilnehmer: Bacher Helga, Draxler Franz und Annelie, Etzel Hermann und Agnes, Felbinger Renate, Haas Maria, Haberlandt Helga, Köppen Jochen, Kratzer Hans, Kretschmann Gerti, Mau Otti, Mayr Lotte, Niedermeier Erika, Numberger Herta, Roppelt Waltraud, Schäffler Leni, Schlegel Erna, Sperle Meta, Stangl Sepp und Maria, Tahedl Hans, Walter Lotte, Zech Martin, Ziegelmeier Helga.
Organisation und Bericht: Inge Döllel